Out of Order - Kolumne

Respekt für einen Verbrecher

Die Nachricht der letzten Woche: Uli Hoeneß geht ins Gefängnis! Manch einer sieht das als Zeichen unseres doch noch existierenden Rechtsstaates, für andere sind dreieinhalb Jahre Haft bei weitem nicht genug. Wie dem auch sei, nun tritt Steuerhinterzieher Hoeneß seine (nach Meinung deutscher Justiz!) verdiente Strafe an – und bekommt dafür Respekt aus höchsten Kreisen. Namentlich von Angela Merkel. Noch einmal zum Mitschreiben: Die Bundeskanzlerin zollt einem Verbrecher Respekt für das Antreten seiner verdienten Strafe. Als ich das las, musste ich mich erst einmal kurz festhalten um nicht umzufallen.

Aus Drei mach Vier macht 28 Millionen

„Jetzt tritt er seine Strafe an, jetzt sollte man ihn auch in Ruhe lassen.“ Diesen Satz habe ich in den vergangen Tagen mehrfach gehört, und spiegelt letztendlich auch das wieder, was Angela Merkel meint, wenn sie von Respekt für Hoeneß spricht. Doch ganz so einfach ist das nicht. Für den gesamten Prozess hatte das Gericht vier Tage vorgesehen, die Staatsanwaltschaft bezichtigte Uli Hoeneß der Steuerhinterziehung in einer Höhe von 3,5 Millionen Euro. Am ersten Tag erklärte einer der Verteidiger, dass die Summe um mindestens 15 Millionen Euro höher liege, man sprach also nun schon von 18,5 Millionen Euro. Am zweiten Prozesstag sagte eine Steuerfahnderin aus, dass die Summe noch einmal erhöht werden müsse – und zwar auf insgesamt 27,2 Millionen Euro. Wo kommt diese plötzliche Erhöhung der Summe her?

Die Verteidigung hatte dem Gericht kurz vor Prozessbeginn 70.000 Transaktionsdokumente übergeben, die die Basis der neuen, erhöhten Summe darstellten. Nun bleibt die Frage, wie man 70.000 Dokumente in wenigen Tagen Sichten konnte. Hätte der Prozess dazu nicht aufgrund neuer Beweislage vertagt werden müssen? Muss ein Prozess nicht sowieso ausgeweitet werden, wenn sich die angeblich hinterzogene Summe innerhalb von drei Tagen vervielfacht? Man muss doch einen detaillierten Blick darauf werfen, wo dieses Geld nun herkommt. Eventuell sind andere Personen involviert. Doch diese Fragen bleiben ungeklärt, das Gericht beschließt schließlich eine Haftstrafe von 3,5 Jahren.

Uli Hoeneß 2503

By Harald Bischoff (Own work) [CC-BY-SA-3.0 (http://creativecommons.org/licenses/by-sa/3.0)], via Wikimedia Commons

Das Antreten der Strafe ist kein Zeichen von Reue, sondern von Intelligenz

Dass Uli Hoeneß seine Strafe nun antritt, anstatt wie zunächst angekündigt in Revision geht, deuten viele als Zeichen ehrlicher Reue. Doch jeder, der etwas genauer hinschaut muss erkennen, dass der Strafantritt die intelligenteste und sogar eleganteste Lösung für Hoeneß darstellt – und zwar aus mehreren Gründen: Der offensichtlichste Grund liegt darin, dass eine Revision nur wenig Aussicht auf Erfolg gehabt hätte. Denn tatsächlich hätte sie dazu geführt, dass man sich die Ordner mit den 70.000 Dokumenten doch noch ein wenig genauer anschauen würde.

Man sollte sich nicht zu Spekulationen hinreißen lassen, aber der gesunde Menschenverstand sagt zumindest mir, dass es für Hoeneß besser ist, lieber nicht noch einmal genauer hinzuschauen. Immerhin hat die grobe Einsicht den Betrag schon vervielfacht. Zudem wäre der weitere Prozess ungefähr genauso leise und im stillen Kämmerlein abgelaufen wie bisher – nämlich gar nicht. Ein weiteres Jahr möchte der ehemalige Bayern-Manager mit Sicherheit kein Spielball der Medien sein. Da sitzt er das Jahr lieber ab. Denn viel länger wird er wahrscheinlich nicht in Haft bleiben müssen. Eine Haftstrafe von 3,5 Jahren heißt in Deutschland eben nicht, dass man auch wirklich die gesamten 3,5 Jahre im Knast sitzt. Uli Hoeneß hat gute Chancen auf einen offenen Vollzug – vielleicht von Anfang an, zumindest aber nach ein paar Monaten.

Die Staatsanwaltschaft geht ebenfalls nicht in Revision, und das lässt trotz des Urteils schon wieder am Rechtsstaat zweifeln. 70.000 neue Dokumente wären zumindest Grund genug für eine Revision. Ich bin nicht in der Lage zu beurteilen, was Uli Hoeneß verdient oder nicht – aber Respekt von der Bundeskanzlerin? Sicherlich nicht. Sie scheint es nicht so schlimm zu finden, dass man von dem Geld hätte 600 Lehrer einstellen oder 180 Fußballplätze bauen können.