Out of Order - Kolumne

Späh-Affäre: Können wir nicht? – Können wir doch!

Die Zeit der NSA-Affäre ist vorüber, jetzt haben wir unser eigenes Spionage-„Problem“. Endlich müssen wir nicht mehr über den großen Teich blicken, um Schuldige zu finden. Das Bild der NSA-Zentrale in Maryland haben wir auch wirklich oft genug gesehen, nun können wir an gleicher Stelle das BND-Hauptquartier einfügen. Schade eigentlich, dass die neue Zentrale in Berlin noch nicht fertig ist. Sie hätte ein deutlich besseres Motiv abgegeben.

Anders als mit Sarkasmus weiß man sich kaum noch zu helfen. Noch einmal kurz für diejenigen, an denen die aktuellen Geheimdienst-Geschehnisse vorübergegangen sind: Der Bundesnachrichtendienst ist in der Türkei tätig, hat dort bespitzelt und abgehört. Die Türken finden das gar nicht lustig und wollen eine Erklärung – im besten Fall direkt vom Geheimdienstchef Gerhard Schindler. Das ist aber nur die halbe Geschichte. Schwerer wiegt womöglich die Tatsache, dass auch die ehemalige US-Außenministerin Hillary Clinton und der amtierende Außenminister der USA, John Kerry, abgehört wurden.

Die Späh-Affäre mit der Türkei…

…ist wahrscheinlich das geringere Übel. In der Türkei gibt es die PKK, die hier als terroristische Vereinigung gilt und trotzdem relativ breite Unterstützung durch die hier lebenden Türken erfährt, was auch immer das konkret heißen mag. Es gibt also tatsächlich gute Gründe für geheimdienstliche Aktivitäten in der Region und ich bin mir fast sicher, dass man dies auch der türkischen Regierung beibringen kann – sofern es nicht doch noch größere, unbegründete Aktivitäten gibt.

Das Späh-Affäre mit den US-Außenministern…

…ist schon deutlich größer. Denn Freunde ausspähen, das geht gar nicht (Merkel, sic!). Und dann hat es auch noch die Außenministerin getroffen. Gerade erst kam heraus, dass Kerry bereits von Israel abgehört wurde, worüber sich die US-amerikanische Regierung echauffierte. Ein bisschen Schadenfreude konnte man sich dabei nicht verkneifen. Jetzt, wo der BND den Lauschangriff vollzogen hat, ist Schadenfreude allerdings fehl am Platz. Dass diese abgehörten Gespräche „zufällig“ entstanden, wie nun behauptet, ist dabei wenig glaubwürdig – zumal die Gesprächsaufzeichnung von Hilary Clinton nicht sofort vernichtet wurde. Wie dem auch sei, das Handeln des BND sorgt für ein großes Problem: Die USA wird ihre Abhörpraxis nun als völlig legitim darstellen können und jegliche Kritik daran als unglaubwürdig abtun. Der praktische Unterschied zwischen den Abhörstrategien ist nach wie vor gigantisch: Die NSA sammelt Daten von Millionen von Menschen, was weit über eine gezielte Bespitzelung hinausgeht. Doch dieser Unterschied hat in der politischen Diskussion kein Gewicht, dort ist Abhören gleich Abhören. An der Praxis der Amerikaner wird sich also noch weniger als nichts ändern.

Die Späh-Affäre mit dem BND…

…bringt auch Probleme innerhalb Deutschlands mit sich. Das parlamentarische Kontrollgremium (PKGr), dem der BND unterliegt, hat allem Anschein nach bis Juli nichts von diesen Abhöraktivitäten gewusst, und seitdem auch nur „teilweise“ davon erfahren. Das ist ein Problem, denn die Bundesregierung bzw. der BND sind zur Unterrichtung dieses Gremiums verpflichtet. Nun stellt sich die Frage, inwieweit sich der Bundesnachrichtendienst der parlamentarischen Kontrolle entzieht. Vor gut einem Jahr, fragte man sich mit Blick über den Atlantik, ob die US-Regierung ihren Geheimdienst noch unter Kontrolle hat. Jetzt kann Angela Merkel diese Frage an ihr eigenes Spiegelbild richten.

Und ganz nebenbei: Über die Verstrickungen des BND in der NSA-Affäre wissen wir immer noch nichts.