Management auf Zeit – heute hier, morgen dort

Bevor das Mandat oder der Job im Management auf Zeit zum Alltag wird, ziehe ich als Manager auf Zeit weiter. Wie arbeite, lebe und wohne ich dabei eigentlich? 

Die erste Tage und Wochen in einem Management auf Zeit-Mandat sind für mich eine Zeit höchster Anspannung. Denn ich muss sehr schnell herausfinden, wie das Unternehmen bzw. die Organisation tickt und zugleich meine Position festigen. Während fest angestellte Manager dafür i.d.R. ca. 100 Tage haben und dann im Führungsalltag angekommen sein sollten, beginne ich dann schon damit, meinen Abgang wieder vorzubereiten. Vom ersten Anruf des Auftraggebers oder Providers bis zur letzten Verabschiedung von den beteiligten Mitarbeitern oder des Nachfolgers vergehen nur wenige Monate; manchmal auch etwas länger.

Erster Tag beim Management auf Zeit – Lage sondieren

Der Vertrag ist kaum verhandelt und die Tinte darunter kaum trocken, da geht es auch schon los. Zwischen Erstkontakt, Briefing-Gespräch und Mandatsbeginn für das Management auf Zeit vergehen oft nur wenige Tage oder Wochen. Dabei hatte ich bisher noch nicht das Glück, einen neuen Einsatzort in der Nähe meines Wohnortes zu haben. Vielmehr beginnt der erste Tag schon mit einer längeren Anreise und ggf. auch schon mit einer ersten Übernachtung am neuen Einsatzort, ohne dass das Mandat schon richtig begonnen hat. Bisher war es bei meinen Management auf Zeit-Mandaten so, dass im jeweiligen Unternehmen oder der Organisation schon sehr chaotische Zustände herrschten. Das zugesagte Arbeitszimmer war noch nicht leergeräumt, teilweise standen überall noch Kartons von den Vorgängern herum. Der Rechner stand zwar am Schreibtisch, war aber noch nicht freigeschaltet. Kein Problem, dann arbeite ich eben zunächst mit meinen eigenen Systemen. Wenn es sein muss, arbeite ich auch in einer Scheune – das war ja auch eher der Alltag bei einem meiner letzten Arbeitgeber.

Zwar werden die Rahmenbedingungen für meinen Management auf Zeit-Einsatz im Rahmen einer Vorbesprechung geklärt – d.h. welche Ressourcen stehen ab wann und in welchem Umfang zur Verfügung, wo erfolgt die Unterbringung und wie erfolgt die Spesenabrechnung. Aber die Praxis hat in diesem Jahr gezeigt, dass teilweise noch nicht einmal das Hotel gebucht war. Hierauf muss man sich einstellen im Rahmen des Managements auf Zeit.

Aber das Arbeitszimmer ist nun auch nicht wirklich so wichtig, da die erste Woche von zahlreichen  Gesprächen gekennzeichnet ist. Bis zum späten Abend reiht sich zumeist ein Gespräch an das nächste. Denn in dieser Phase gilt: Mit möglichst vielen Leuten in der Organisation selber zu sprechen, und das wo immer möglich unabhängig von der jeweiligen Hierarchie.  Nur so kann es gelingen, sich rasch einen Überblick über die aktuelle Situation und vor allem auch über die echte Stimmung vor Ort zu verschaffen. Hierzu ziehe ich das persönliche Gespräch umfangreich vorbereiteten Briefings in jeder Hinsicht vor. Obgleich der eine oder andere Hinweis für den inhaltlich Rahmen auch sehr wichtig für manchen Gesprächspartner sein kann.Viel wichtiger ist aber im Management auf Zeit, dass man sehr schnell einen persönlichen Zugang zu den vorhandenen Leistungsträgern in der Belegschaft bekommt. Das fängt bereits mit der Begrüßung und Einführung durch meine Auftraggeber, z.B. im Rahmen einer Mitarbeiterversammlung, an. Hier stelle ich dann auch meine vorläufige Auftragsauswertung vor und gebe dadurch den Rahmen für meine Arbeit im Management auf Zeit vor.

Erst am späten Abend klappe ich dann meinen Laptop zu und fahre ins Hotel. Das Leben aus dem Koffer bin ich gewohnt. Zudem lege ich großen Wert darauf, dass die Unterbringung sehr nah am Unternehmensstandort ist. Funktionalität geht hier eindeutig vor Bequemlichkeit im Management auf Zeit. In diesem Sommer war ich mehrer Monate in einem Hotel untergebracht, da gab es aber leider keinen Handy- oder WLAN-Empfang. Auch mit solchen Situationen muss man dann im Rahmen des Managements auf Zeit umgehen können. Das bedeutete, dass ich Abends mit meiner Frau i.d.R. aus dem Wagen heraus telefonierte.

Zum Ende der Woche bereite ich meine ersten gewonnenen Erkenntnisse so auf, dass ich diese auch den wesentlichen Beteiligten zur Verfügung stelle. Hier findet dann i.d. R. auch noch einmal eine Art letzter Check-Up für das jeweilige Management auf Zeit-Mandat statt. Denn bis dahin habe ich normalerweise auch schon ein deutliches Gefühl für die wesentlichen Herausforderungen „auf und unter dem Tisch“ gewonnen.

Die ersten Wochen im Management auf Zeit

Nach vielen Einzelgesprächen und Vorstellungsrunden kennt man meinen Namen und meine Funktion sowie meinen Auftrag in der Organisation. Zudem habe ich mir ein realistisches Bild von der aktuellen Situation des Unternehmens machen können. Dazu dient natürlich auch die korrekte finanzwirtschaftliche Analyse der jeweils relevanten Kennzahlen. Bei Liquiditätsengpässen muss die Analyse bereits noch zwingend in der ersten Woche durchgeführt werden. Stichworte sind hier: Überprüfung der Zahlungsfähigkeit und des Verschuldungsgrad. Bereits bei drohender Zahlungsunfähigkeit im Finanzstatus sind zwingend weitere Analysen notwendig, da eine mögliche Insolvenzverschleppung kein Kavaliersdelikt ist, sondern vielmehr auch mit unangenehmen Haftungsfragen verbunden ist. Hierdurch bekommt man aber sehr schnell einen ungetrübten Blick auf die wesentlichen Herausforderungen und teilweise schon deutliche Hinweise auf etwaige Krisenursachen im jeweiligen Management auf Zeit.

Allerdings geht es innerhalb der ersten beiden Wochen noch nicht darum, wesentliche inhaltliche Akzente zu setzen. Wer meint, eine Organisation nach mehrere Tagen bereits so kennengelernt zu haben, dass ihm dies möglich sei, den fordere ich basierend auf meiner Erfahrung zu behutsameren Vorgehen auf. Eine präzise Analyse ist wichtiger als operative Schnellschüsse, die hinterher mühsam wieder eingefangen werden müssen. Dies gilt insbesondere auch für die ersten Gespräche mit externen Stakeholdern wie Banken, Kunden und Lieferanten sowie auch Behörden (z.B. dem Finanzamt). Auch wenn die Auftraggeber diese Gespräche gerne so schnell wie möglich geführt wissen wollen, sollten diese auch vernünftig vorbereitet werden.

Demgegenüber muss aber sehr schnell identifiziert werden, wer sind motivierte Leistungsträger und wo sitzen die Blockierer für den Veränderungsprozess. Denn i.d.R. stehen rasch harte Entscheidungen an, die getroffen und umgesetzt werden müssen. Dies bestätigt grundsätzlich auch Holger Groß, ein erfahrener Restrukturierer in einem Artikel in der Financial Times Deutschland vom 07.12.2012 – übrigens deren letzte Ausgabe. Hier kann und will ich nicht „everyone’s darling“ sein. Das wäre auch dem Auftraggeber ggü. ausgesprochen unfair und unredlich.

Aufwärts oder Abwärts – @Pixelio; Jonny B.; www.pixelio.de

Oftmals müssen neben der präzisen Ursachenanalyse aber auch schon parallel erste operative Maßnahmen eingeleitet werden. Je tiefer die Krise bereits fortgeschritten ist, desto drastischer sind zumeist die ersten Eingriffe. Schließlich kommt eine Krisensituation nicht von ungefähr. In jeder Organisation und Unternehmung gibt es gewachsene Strukturen, die zumeist Teil des Kernproblems sind. Von daher gilt oftmals: Wer nicht bereit ist, den Veränderungsprozess mitzugehen, der muss seinen Verantwortungsbereich räumen. Echte Störer werden isoliert; dies muss aber auch nicht zwangsläufig die Kündigung bedeuten.

Insgesamt darf man sich beim Management auf Zeit nicht von alten Seilschaften und persönlichen Befindlichkeiten beeindrucken lassen; obgleich man diese sehr wohl ernst nehmen sollte. Denn nur so kann man auch mit er zur Verfügung stehenden Zeit effizient umgehen. Einen pragmatischen, lösungsorientierten Plan erarbeiten, vorlegen und diesen dann auch konsequent umzusetzen – das sind die wesentlichen Erfolgskriterien beim Management auf Zeit. Dies muss so auch deutlich kommuniziert werden. Etwaige Intrigen müssen zudem rasch identifiziert werden und wirkungsvoll begegnet werden. Meistens reicht es aus, mit den Initiatoren dazu das unmissverständliche offene Wort zu führen. Ein derartiges Vorgehen führt natürlich dazu, dass man regelmäßig auch aneckt und für Unruhe in den etablierten Unternehmensstrukturen sorgt. Dennoch habe ich niemals mehrere Tage alleine in der Kantine sitzen müssen. Denn schnell hat sich ein loyales Team gefunden, dass sehr sachorientiert unterwegs ist.

Die letzten Wochen im Management auf Zeit

Die letzten Wochen waren bisher immer davon geprägt, noch Gespräche mit potentiellen Personalverstärkungen oder mit anderen Unternehmern zwecks Kooperationen oder Übernahmen zu führen. Daneben habe ich es zwar auch erlebt, dass mir meine Auftraggeber ein Angebot für eine permanente Anstellung gemacht hatten, doch daran hatte ich bisher nur wenig Interesse. Den normalen Arbeitsalltag mit den Hierarchien und Abhängigkeiten vermisse ich nicht. Von daher lasse ich mir zum Schluss meiner Aufgaben von meinem Auftraggeber eine Referenz erstellen und verabschiede mich dann auch rasch.

Die Koffer sind rasch gepackt, den Weg nach Hause kenne ich inzwischen sehr gut. Da man während des Einsatzes kaum Zeit für persönliche Erholung hat, da 10-12 Stunden-Tage die Regel sind, freue ich mich dann wieder auf eine längere Zeit mit meiner Familie. Darüber hinaus muss ich aber auch zusehen, dass ich mich regelmäßig weiterbilde, um fachlich auf dem Laufenden zu bleiben. Zudem geht viel Zeit auch für die Akquisition neuer Projekte drauf. Mit den dann ehemaligen Auftraggeber halte ich locker den Kontakt.; lasse dazu aber i.d.R. auch erst mal 1-2 Monate ins Land gehen. Dieser Abstand ist denke ich für alle Beteiligen wichtig. Erst danach setze ich mich mit meine gewonnenen Erkenntnissen, die ich während des Projekteinsatz regelmäßig dokumentiert habe, noch einmal intensiver auseinander. Diese Reflektion, teilweise auch mit Betroffenen aus dem ehemaligen Projekt, hilft mir, mich weiter zu entwickeln, und auch aus gemachten Fehlern die notwendigen Lehren zu ziehen. Denn folgende Maxime dominiert das Management auf Zeit: Entscheidungen sind dazu da, getroffen und umgesetzt zu werden; auch wenn es vielleicht nicht immer die zweckmäßigste Entscheidung gewesen ist. Aber nur so kann agiert werden und die verloren gegangene Handlungsfreiheit für den Auftraggeber wieder gewonnen werden.